Alpines Überangebot an Reservefahrern: Was dahinter steckt

Kush Maini hat sich Franco Colapinto, Ryo Hirakawa und Paul Aron in Alpines Reservekader angeschlossen - Doch nur einer wird wohl ein Cockpit bekommen

(Motorsport-Total.com) - Man könnte sich fragen, warum Alpine gerade einen vierten Formel-1-Reservefahrer verpflichtet hat. Die Gründe dafür dürften vor allem finanzieller Natur sein und in den enormen Geldsummen liegen, die damit in die Teamkasse fließen.

Titel-Bild zur News: Flavio Briatore, Franco Colapinto

Strippenzieher bei Alpine: Flavio Briatore holt den Nachwuchs ins Team Zoom

Alpine baut sein Nachwuchsprogramm seit der peinlichen Abwanderung von Oscar Piastri im Jahr 2022 unter neuer Führung wieder auf. Und die Reihen mit jungen Talenten zu füllen, passt gut zur Rückkehr von Flavio Briatore an die Spitze des Teams.

Bereits in den frühen 2000er-Jahren, als das Team noch als Renault antrat, hatte seine "Driver Academy" eine faszinierende Mischung aus Fahrern - einige mit echtem Formel-1-Potenzial, andere offensichtlich nur dabei, weil sie dafür zahlten.

Der Mann, der diese Fahrer rekrutierte, Trainingslager bis nach Kenia organisierte und oft auch bei der Karriereplanung der vielversprechendsten Talente mitmischte, war Briatore.

Betrachtet man die Jahre 2001/02 als Momentaufnahme, trainierten Renaults Formel-1-Fahrer Giancarlo Fisichella und Jenson Button neben Fernando Alonso (den Briatore als Button-Nachfolger aufbaute), Heikki Kovalainen, Robert Kubica, Tiago Monteiro, Fabio Carbone, Eric Salignon und Carlo van Dam.

Die letzten fünf Fahrer trugen über persönliche Sponsoren erheblich zum Team-Budget bei - ja, selbst Kubica, der nur ein Jahr lang Teil des Renault/Briatore-Programms war.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass das Alpine-Team in der Briatore-Ära gleich vier Nachwuchsfahrer in der Garage herumstehen hat, während sich die meisten anderen Teams mit einem oder gar keinem Reservefahrer begnügen.

Jacques Villeneuve fasste Briatores Rolle bei Alpine in einem Interview mit yaysweepstakes.com kürzlich treffend zusammen: "Es ist ein ganz anderes Team jetzt. Es ist wirklich schwierig, die Politik und das Gleichgewicht zu verstehen, aber Flavio ist da, um aufzuräumen, und jeder steht unter Druck."

Maini wird 2025 viel beschäftigt sein

Kush Maini wird mehr zu tun haben als die meisten anderen Nachwuchskollegen bei Alpine, da er auch seine dritte volle Saison in der Formel 2 bestreiten wird. Er wechselt erneut das Team, nachdem seine Saison 2024 mit Invicta - als Teamkollege des späteren Meisters Gabriel Bortoleto - eher enttäuschend verlief.

Seit 2023 Teil der Alpine Academy, teilt sich Maini einen Manager (Guillaume le Goff) mit Alpine-Fahrer Pierre Gasly und wird von Doppelweltmeister Mika Häkkinen betreut.

Er bringt beträchtliche finanzielle Unterstützung aus Indien mit, wo es ein großes Bestreben gibt, nach Narain Karthikeyans Auftritten mit dem inzwischen aufgelösten HRT-Team in den Jahren 2011/12 wieder einen Inder in die Formel 1 zu bringen.

Kush Maini

Kush Maini verstärkt den Alpine-Nachwuchskader als vierter Reservist Zoom

Was genau Maini abgesehen von Simulatorarbeit und Testfahrten mit älteren Formel-1-Autos (TPC) tun wird, ist jedoch unklar. Bisher wurde nur Hirakawa, der derzeit für Toyota in der Langstrecken-WM (WEC) fährt, für einen FT1-Einsatz bei einem Grand Prix (Japan) bestätigt. Damit bleiben drei weitere Plätze offen.

"Kush hat das Team mit seinen TPC-Leistungen und seinen Formel-2-Ergebnissen beeindruckt, während wir mit ihm gearbeitet haben, und wir erwarten, dass er dies 2025 fortsetzen wird", sagte Julian Rouse, Leiter der Alpine Academy.

"Seine erweiterte Rolle ermöglicht es uns, unseren Pool an Fahrertalenten weiter auszubauen, die das gesamte Team in der arbeitsreichen Saison unterstützen können."

Alpine bleibt vage über die Rolle der Reservefahrer

Diese vage Formulierung passt zu Teamchef Oliver Oakes' Antwort auf eine Frage beim Bahrain-Test zur Organisation der Alpine-Reservefahrer - damals waren es noch drei.

"Sie werden sich alle ein Zimmer teilen", scherzte er, bevor er zugab, dass noch nicht entschieden sei, wie viel Formel-1-Testzeit jeder tatsächlich bekommen wird.

"Ich denke, es gibt eine gewisse Aufteilung, denn Franco hat bereits viele Grands Prix bestritten, Paul Aron hat noch nichts gemacht, und Ryo hat wahrscheinlich ein bisschen von allem erlebt - also gibt es da eine gewisse Balance", so Oakes.

Aron, ein ehemaliger Mercedes-Junior, ist der einzige der vier Fahrer, dessen offizielle Bezeichnung "Reservefahrer" und nicht "Test- und Reservefahrer" lautet. Alpine gab seine Verpflichtung nach Jack Doohans Beförderung zum Formel-1-Fahrer bekannt.

Er bestritt den Nachsaisontest in Abu Dhabi und verdrängte damit Victor Martins, der das Alpine-Programm kürzlich "einvernehmlich" verlassen hat - ebenso wie die F1-Academy-Meisterin Abbi Pulling. Diese Abgänge haben Platz für neue Gesichter im Alpine-Nachwuchsprogramm geschaffen - darunter Nina Gademan in der F1 Academy sowie die Nachwuchskartfahrer Ilie Tristan Crisan und Sukhmani Kaur Khera.

Der Kampf um ein Formel-1-Cockpit

Das Management aufstrebender Fahrer ist immer ein Balanceakt: Es geht nicht nur darum, die besten Talente zu identifizieren und zu entwickeln, sondern auch darum, sie so lange wie möglich im Spiel zu halten, bis sich eine Chance in der Formel 1 ergibt. Genau daran scheiterte das Alpine-Management mit Piastri.

Vier Fahrer für ein - oder höchstens zwei - Formel-1-Cockpits? Die Rechnung geht nicht auf. Wahrscheinlich wird nur Colapinto in naher Zukunft aufsteigen, während die anderen Reservisten im Grunde nur ein Parkticket lösen.

"Colapinto kam mit einem Paukenschlag in die Formel 1", analysiert Villeneuve, "dann machte er ein bisschen zu viele Fehler und beschädigte sein anfänglich positives Image. Aber er wird immer noch als super schneller Fahrer angesehen. Er hat keinen Druck auf den Schultern, also kann es für ihn nicht schlecht laufen."


Fotostrecke: Formel-1-Fahrer, die bei Alpine/Renault ihr Debüt gefeiert haben

Im Gegensatz dazu lastet auf Doohan deutlich mehr Druck: "Jack stand zu lange nur als Testfahrer an der Seitenlinie und hat im Grunde nicht wirklich Rennen gefahren."

"Sein Rennen am Ende der letzten Saison war nicht beeindruckend. Er bekommt jetzt seine Chance, aber er muss Gasly mindestens ebenbürtig sein - ein paar Hundertstel vor oder hinter ihm, aber auf seinem Level. Eigentlich muss er ihn sogar schlagen."

Klar ist aber auch: Selbst wenn Colapinto derzeit hoch eingeschätzt wird, wird Briatore auch hier zumindest ein Auge auf potenzielle Sponsoren aus Lateinamerika haben.

Bisher ist nur Mercado Libre als offizieller Alpine-Sponsor vertreten, während sich Globant für eine Partnerschaft mit der Formel 1 selbst entschieden hat. Doch es gibt Gerüchte, dass weitere argentinische Unternehmen Interesse signalisiert haben - ebenso wie andere lateinamerikanische Konzerne wie Telmex.

Für Briatore ergeben sich verlockende Möglichkeiten, zumal er sich angeblich eine lukrative Provision für die Vermittlung des MSC-Cruises-Deals mit der Formel 1 gesichert hat.

Um es mit den Worten von John F. Kennedy zu sagen: Was junge Fahrer von heute angeht, fragt nicht, was euer Team für euch tun kann, sondern was ihr für euer Team tun könnt.