Mindestalter 18 Jahre: Sollten die Moto3-Bikes mehr Leistung haben?

Sind die Moto3-Bikes mittlerweile zu langsam? Es gibt gute Gründe für eine Anpassung des technischen Formats, aber auch einige Risiken

(Motorsport-Total.com) - Die Anpassung des Mindestalters in der Moto3-WM hat zur Folge, dass die Fahrer tendenziell größer und schwerer sind als in der Vergangenheit. Das führt zur Frage, ob die etwa 60 PS starken und bis zu 235 km/h schnellen 250er-Viertakter noch stark genug sind, um ausgeglichene Rennen zu ermöglichen. Diese Frage haben wir mit den Moto3-Teamchefs Jürgen Lingg (IntactGP) und Herve Poncharal (Tech 3) besprochen.

Titel-Bild zur News: Moto3 Start

Die Rennen der Moto3 sind spannend, aber sind sie auch fair? Zoom

Aktuell muss ein Fahrer mindestens 18 Jahre alt sein, um an der Moto3-WM teilzunehmen. Die Ausnahme sind die Fahrer, die den Rookies-Cup oder den Junior-GP (früher Junioren-WM) in den Top 3 beendet haben. Zudem dürfen die Fahrer, die bereits vor der Einführung des Mindestalters teilnahmen, weiterhin antreten.

Doch die Zeiten, in denen 15- oder 16-Jährige gegeneinander fuhren, sind vorbei. Scott Redding hielt jahrelang den Rekord des jüngsten Grand-Prix-Siegers. Mit seinem Sieg beim Heim-Grand-Prix in Donington 2008 in der 125er-Klasse lag Redding in dieser Statistik viele Jahre lang vorn.

Can Öncü

Valencia 2018: Can Öncü schrieb Geschichte Zoom

Erst in der Saison 2018 wurde Redding durch Sensations-Rookie Can Öncü abgelöst, der im Alter von 15 Jahren und 115 Tagen den Valencia-Grand-Prix gewann. Dieser Rekord ist für die Ewigkeit. Doch zurück zur ursprünglichen Frage: Sollten die Moto3-Bikes auf Grund des 2023 eingeführten Alterslimits "mitwachsen"?

"Wir haben intern schon darüber philosophiert", gesteht IntactGP-Teamchef Jürgen Lingg im Exklusiv-Interview mit Motorsport-Total.com. Lingg hat drei gute Argumente für leistungsstärkere Moto3-Bikes.

Neben dem Fakt, dass die Fahrer auf Grund des neuen Limits älter und somit schwerer sind, führt Lingg auch noch die große Lücke zwischen Moto3 und Moto2 sowie den seiner Meinung nach zu großen Effekt des Windschattens an.

Jürgen Lingg

Jürgen Lingg nennt drei Gründe für leistungsstärkere Moto3-Bikes Zoom

"Die Gruppe fährt sich auf den Geraden immer wieder zusammen. Selbst wenn ein Fahrer stärker ist, kann sich derjenige nie wirklich absetzen. Das ist ungerecht", kommentiert Lingg. "Meist gewinnt der beste Fahrer, aber nicht immer, weil die anderen Fahrer die Lücke auf der Geraden immer wieder zufahren können."

"Deswegen bin ich der Meinung, dass die Motorräder mehr Leistung bekommen sollten", bemerkt Lingg und fügt hinzu: "Der Schritt in die Moto2 ist momentan sehr groß. Es sind einfach andere Motorräder. Man sieht es bei den Rookies, wie schwer sie sich tun. Die Moto3 sollte näher an die Moto2 herankommen, auch weil die Fahrer immer größer und schwerer werden."

Herve Poncharal warnt vor den Risiken und lobt das aktuelle Format

Deutlich weniger begeistert ist Tech-3-Teambesitzer Herve Poncharal, als wir ihn auf die Idee ansprechen, das aktuelle Format der Moto3 anzupassen. Poncharal verweist darauf, dass auch größere Fahrer erfolgreich sein können. "Aber natürlich ist es in der Moto3 besser, klein und leicht zu sein", bemerkt er.

"Im Moment ist das Feld in der Moto3 ziemlich ausgeglichen", ist Poncharal überzeugt und freut sich über die spannenden Zweikämpfe. "In diesem Jahr lagen die Motorräder der Pierer Mobility Group vorn, doch das war eher auf die Fahrer und weniger auf das Niveau der Motorräder zurückzuführen."

Herve Poncharal

Herve Poncharal möchte das aktuelle Format ungern verändern Zoom

"Die Kosten sind immer der größte Feind im Motorrad-Rennsport. Im Moment verwenden wir reine Prototypen, die schnell, zuverlässig und verhältnismäßig günstig zu betreiben sind. Natürlich sind sie nicht super günstig, doch im Verhältnis gesehen ist es okay", erklärt Poncharal.

Die Haltbarkeit der 250 cm³ großen Viertakter begeistert Poncharal. "Wir können ohne Probleme drei Rennen mit dem gleichen Motor bestreiten. Die Drehzahl ist begrenzt. Die Moto3-Klasse ist sehr konkurrenzfähig, was die Kosten, die Performance und Show betrifft. Sobald man daran etwas ändert, besteht das Risiko, dass etwas Verrücktes passiert", warnt der Franzose. "Natürlich werden wir das Reglement nicht für ewig einfrieren."

KTM Moto3

Die Moto3-Einzylinder sind standhaft und verhältnismäßig kostengünstig Zoom

Sollte man das Reglement anpassen, dann steigen automatisch die Kosten, weil die Ingenieure der Hersteller immer das Limit ausloten. "Wer soll sich das leisten können? Bevor man etwas ändert, muss man intensiv nachdenken. Vielleicht können wir etwas machen für Fahrer, die zu groß oder schwer sind. Doch dann könnten wir mehr Schaden als Nutzen anrichten", grübelt Poncharal.

Mit Jacob Roulstone hat Herve Poncharal einen der größten Moto3-Fahrer in seinem Team. Der 19-jährige Australier misst 1,81 Meter. "Ich unterhielt mich mit Roulstone, der einer der größten Fahrer im Feld ist. Ich wollte wissen, ob es ein Problem für ihn ist. Er meinte, dass er sich auf dem Motorrad wohlfühlt. Die Topspeed-Messungen belegen, dass er schnell ist", nennt Poncharal einen Grund gegen eine Anpassung des technischen Formats.

Ivan Ortola, Joel Esteban

Laut Herve Poncharal werden große Fahrer kaum benachteiligt Zoom

"Die Moto3 ist die spannendste Klasse, die wir haben. Die Leute haben Spaß beim Zuschauen. Die Motorräder sind kleine MotoGP-Bikes und haben einen ausgeprägteren Prototyp-Charakter als die Moto2-Bikes", hebt Poncharal hervor.

Damit hat der Tech-3-Teamchef nicht ganz unrecht. Während die Moto3-Bikes komplette Prototypen sind, verwenden die Moto2-Bikes seit dem Debüt der Kategorie in der Saison 2010 seriennahe Motoren, die zu Beginn von Honda und später von Triumph kamen.

Das wirkt sich auch auf das Fahrgefühl nieder. Pedro Acosta erwähnte mehrfach, dass er sich auf dem Moto3-Bike deutlich wohler fühlte als auf der Moto2-Maschine. "Pedro liebte das Gefühl, das er auf dem Moto3-Bike hatte", bestätigt Poncharal. "Dieses Gefühl kehrte nach dem Aufstieg in die MotoGP zurück. Auf dem Moto2-Bike hingegen fühlte er sich nie wirklich wohl."