Rennanalyse WEC Katar 2025 (1/3): War Ferrari wirklich unschlagbar?

Ferrari belegte die ersten drei Plätze bei den 1.812 Kilometern von Katar, doch war man wirklich so dominant? - Teil 1 unserer Analyse mit Blick auf das gesamte Rennen

(Motorsport-Total.com) - Die Medien leben oft von Superlativen. Nach dem Dreifachsieg von AF Corse bei den 1.812 Kilometern von Katar war es ein Leichtes, von einer "Zerstörung" oder "Vernichtung" der Gegner durch Ferrari zu schreiben. Aber war es wirklich so eindeutig?

Titel-Bild zur News: Ferrari war den Gegner in Katar über - aber nicht so viel, wie man denken könnte

Ferrari war den Gegner in Katar über - aber nicht so viel, wie man denken könnte Zoom

Den Stimmen der Gegner nach zu urteilen, ja. "Die Ferrari waren in jeder Session unglaublich schnell, es war sehr schwer, sie zu schlagen. Das war von Anfang an klar", sagte Dries Vanthoor vom viertplatzierten BMW #15 (D. Vanthoor/Marciello/Magnussen) über das Rennen.

Kamui Kobayashi aus dem Toyota #7 (Conway/Kobayashi/de Vries) bestätigt: "Ferrari war viel zu schnell. Sie hatten mehrere Strafen und haben trotzdem gewonnen. Wir waren weit weg. Auch Porsche hatte mit dem Gewicht zu kämpfen. Wir konnten nur noch Schadensbegrenzung betreiben."


Fotos: WEC 2025: 1.812 Kilometer von Katar, Rennen


Doch ein Blick auf die Ergebnisliste verrät: Der beste Nicht-Ferrari hatte im Ziel keine zehn Sekunden Rückstand. Und selbst nach dem letzten Safety-Car-Restart sprechen wir immer noch von einem Rennen über viereinhalb Stunden. Da sind zehn Sekunden nicht viel.

War Ferrari also doch schlagbar? Unsere Analyse wird ein differenziertes Bild ergeben. In diesem Artikel schauen wir uns das gesamte Rennen an. Zunächst haben wir uns entschieden, nicht mehr wie in den vergangenen Jahren die 40 Prozent besten Runden zu nehmen, sondern die besten 60 Prozent.

Das machen wir, weil auch die technische Arbeitsgruppe für die Berechnung der Balance of Performance (BoP) in diesem Jahr mit den besten 60 Prozent rechnet. Diese Methode wird dem Reifenverschleiß gerechter.

Top 60 Prozent: Ferrari eineinhalb Zehntel vorn

Schauen wir also zunächst auf die Top 60 Prozent Rundenzeiten jedes Fahrzeugs im gesamten Rennen:

01. Ferrari #50 - 1:43.578 Minuten
02. Ferrari #51 - 1:43.595
03. AF-Corse-Ferrari #83 - 1:43.705
04. BMW #15 - 1:43.733
05. Toyota #8 - 1:43.769
06. Toyota #7 - 1:43.774
07. Cadillac #12 - 1:43.795
08. BMW #20 - 1:43.938
09. Alpine #35 - 1:44.142
10. Porsche #6 - 1:44.225
11. Porsche #5 - 1:44.232
12. Peugeot #93 - 1:44.252
13. Cadillac #38 - 1:44.256
14. Peugeot #94 - 1:44.353
15. Alpine #36 - 1:44.414
16. Proton-Porsche #99 - 1:44.443
17. Aston Martin #007 - 1:44.822
18. Aston Martin #009 - 1:44.996

Ferrari hat also die Nase vorn, vor allem mit den Werkswagen. Die große Überraschung im positiven Sinne ist Toyota. Denn weder beim Prolog noch bei den Longruns im Freien Training hatte sich diese Performance angedeutet.

WEC Katar 2025, Analyse

Top 60 Prozent aller Rundenzeiten jedes Hypercars im Rennen Zoom

Auch bei Toyota Gazoo Racing ist man überrascht. "Hier als Fünfter und Sechster rauszugehen, ist ehrlich gesagt mehr, als wir erwartet hatten", sagt Mike Conway. Daran änderte auch sein Highspeed-Dreher in der zweiten Stunde nichts. Teamkollege Nyck de Vries ergänzt: "Wir haben die ganze Woche gekämpft, aber im Rennen ist unser Paket aufgeblüht."

Toyota-Technikchef David Floury betont: "Im Gegensatz zu unseren Rivalen haben wir keine Strafen kassiert und jede sich bietende Chance strategisch genutzt." Unsere Analyse zeigt aber klar, dass Toyota auch deutlich mehr Speed hatte als im Training. Hinter Toyotas Abschneiden steckt mehr als ein Null-Fehler-Job.

Abweichung zum Training: Toyota schneller, Alpine langsamer

Vergleichen wir die Rennpace (besagte Top 60 Prozent) mit der Pace aus unserer Longrun-Analyse aller drei Freien Trainings, zeigen sich teils deutliche Abweichungen.

01. Proton-Porsche #99 - 0,827 Sekunden schneller als im Trainings-Longrun
02. Toyota #7 - 0,719
03. Peugeot #94 - 0,548
04. BMW #15 - 0,463
05. Aston Martin #009 - 0,456
06. Toyota #8 - 0,409
07. AF-Corse-Ferrari #83 - 0,395
08. Aston Martin #007 - 0,337
09. BMW #20 - 0,190
10. Ferrari #51 - 0,171
11. Peugeot #93 - 0,156
12. Ferrari #50 - 0,078
13. Cadillac #12 - 0,013 Sekunden langsamer als im Trainings-Longrun
14. Porsche #5 - 0,073
15. Alpine #36 - 0,107
16. Porsche #6 - 0,249
17. Alpine #35 - 0,320
18. Cadillac #38 - 0,411

Der Proton-Porsche hat sich im Vergleich zum Training am meisten gesteigert, aber hier war auch am meisten Potenzial vorhanden.

WEC Katar 2025, Analyse

Abweichung der Renn- von der Longrun-Pace im Training: Links die Autos, die im Training schneller waren, rechts umgekehrt Zoom

Von den Hersteller-Teams war Toyota im Rennen deutlich schneller als im Training. Das unterstreicht, dass es nicht nur ein fehlerfreier Job oder eine clevere Strategie war, sondern dass Toyota auch tatsächlich eine deutlich bessere Pace hatte als im Training.

Auch BMW hat sich gegenüber dem Training deutlich verbessert, vor allem mit der #15. Die #20 war im Rennen etwas langsamer, was im Training nicht der Fall gewesen war.

Ferrari fuhr etwas schneller als im Training. Cadillac sollte hier nicht berücksichtigt werden, dazu mehr im dritten Teil der Analyse.


WEC Katar 2025: Rennhighlights

Negativ fällt die Pace von Alpine auf. In den Longruns und auch im Prolog sah es noch so aus, als könnten die A424 zumindest um den Titel "Best of the Rest" hinter Ferrari mitfahren, aber davon war vor allem die #36 (Gounon/Makowiecki/Schumacher) weit entfernt.

Die #35 (Chatin/Habsburg/Milesi) war vom Speed her besser aufgestellt, konnte aber nach der Kollision von Charles Milesi beim Überrunden nicht mehr aufschließen. Im Vergleich zur Trainingspace fehlte aber einiges, nur der Cadillac #38, der nach seinem eigenen Crash nicht mehr in der Führungsrunde lag, verlor noch mehr von seiner Longrun-Pace aus dem Training.

Auch Porsche fällt negativ auf. Hier darf man aber nicht vergessen, dass die #6 nach dem Pech mit dem ersten Safety-Car lange Zeit außerhalb der Führungsrunde fuhr und somit "entrechtet" war, also immer wieder andere Fahrzeuge vorbeilassen musste und nicht selbst attackieren durfte.

Fazit

Über das gesamte Rennen hinweg hatte Ferrari die Nase vorn. Allerdings war der Vorsprung nicht so groß, dass man von einer Vernichtung oder Auslöschung der Gegner sprechen könnte.

Andererseits sind anderthalb Zehntel Vorsprung auch nicht zu vernachlässigen. Bei 318 Runden hätten die 0,155 Sekunden Vorsprung auf den BMW #15 pro Runde einen Abstand von 49,290 Sekunden ergeben.

Natürlich wurde das Feld durch vier Safety-Car-Phasen immer wieder zusammengeführt. Der letzte Restart erfolgte in Runde 171. Aber selbst dann hätte der Vorsprung bis ins Ziel noch auf 22,785 Sekunden anwachsen müssen, wenn man den Unterschied von 0,155 Sekunden zwischen dem Ferrari #50 und dem BMW #15 zugrunde legt. Es waren aber nur 9,907 Sekunden.

Im zweiten Teil der Auswertung gehen wir der Frage nach, ob BMW hätte gewinnen können. Dabei werden wir insbesondere auf den letzten Teil des Rennens ab Runde 171 eingehen.