Rennanalyse WEC Katar 2025 (3/3): Was Cadillac verspielt hat

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Redaktion
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Rennanalyse WEC Katar 2025 (3/3): Was Cadillac verspielt hat

Beitrag von Redaktion »

Was wohl bereits die Kollision des Jahres ist, hat Cadillac bei den 1.812 Kilometern von Katar einiges verhagelt - Teil 3 unserer Analyse mit Fokus auf die Jota-Caddys

Cadillac galt als Mitfavorit auf den Sieg auf den 1.812 Kilometern von Katar. In den Analysen vor dem Rennen waren die Jota-Boliden regelmäßig die zweitstärkste Kraft und nicht allzu weit von Ferrari entfernt. Nachdem beide Werks-Ferrari im Rennen Rückschläge erlitten - die #50 wurde vom BMW #15 umgedreht, die #51 kassierte mehrere Strafen - bleibt die Frage, ob Cadillac beim Jota-Debüt mit dem V-Series.R sogar hätte gewinnen können.

Die Zeiten aus unseren bisherigen Analysen deuten nicht unbedingt darauf hin, dass Cadillac den Speed gehabt hätte. Allerdings würde es General Motors und Jota nicht gerecht werden, die 60 Prozent besten Runden aus dem gesamten Rennen zu betrachten.

Nach der Kollision, die schon jetzt ihren Platz in den Annalen der WEC sicher hat, fuhr der Cadillac #38 (Bamber/Bourdais/Button) dem Feld mit Rundenrückstand hinterher. Die Luft war raus, außerdem ist ein überrundetes Fahrzeug mehr oder weniger entrechtet und kann nur selten seinen wahren Speed fahren. Die #12 (Lynn/Nato/Stevens) blieb in der Führungsrunde, kam aber bis zum Rennende nicht mehr aus dem Verkehr.

Zudem ist unklar, ob die Fahrzeuge nach der Kollision noch im Vollbesitz ihrer Kräfte waren. Von Cadillac und seinen Fahrern gab es keine Stellungnahme zum Rennen. Lediglich Jota-Teamchef Dieter Gass sprach unmittelbar nach dem Rennen von einem "Albtraum" und verwies auf eine Fehlermeldung auf dem Armaturenbrett.

Auch in den sozialen Medien herrscht weitgehend Funkstille. Nur jeweils ein Fahrer der beiden Autos postete auf Instagram. Earl Bamber (#38) teilte mit: "Wir haben großartigen Speed gezeigt und das Rennen sogar angeführt. Dann lief alles gegen uns und wir kamen außerhalb der Punkte ins Ziel."

Will Stevens (#12) schrieb: "Es waren zwei sehr positive Wochen in Katar, in denen wir viel gelernt haben. Unsere Leistung war definitiv besser als P8, aber wir befinden uns als Team noch in der Anfangsphase. Wir werden lernen, Fortschritte machen und stärker zurückkommen."



Einen ersten Anhaltspunkt könnten die besten zehn Prozent der Runden aller Hypercars im Rennen geben. Hier sieht die Reihenfolge folgendermaßen aus:

01. Ferrari #50 - 1:42.583 Minuten02. Ferrari #51 - 1:42.70603. AF-Corse-Ferrari #83 - 1:42.77404. BMW #15 - 1:42.90005. Cadillac #12 - 1:42.93606. Toyota #7 - 1:42.96007. Toyota #8 - 1:42.98008. BMW #20 - 1:43.01809. Cadillac #38 - 1:43.18510. Peugeot #93 - 1:43.30811. Peugeot #94 - 1:43.31712. Alpine #35 - 1:43.35513. Proton-Porsche #99 - 1:43.43914. Porsche #5 - 1:43.49215. Aston Martin #007 - 1:43.52816. Alpine #36 - 1:43.55917. Porsche #6 - 1:43.63818. Aston Martin #009 - 1:44.127

Diese Liste zeigt noch nicht das wahre Kräfteverhältnis im Vergleich zu Cadillac. Denn die schnellsten Runden wurden in der kühleren Schlussphase des Rennens gefahren. Und da steckte die #12 im Verkehr fest und die #38 war schon weit abgeschlagen.



Ein anderes Bild ergibt sich, wenn wir nur die ersten zwei Stunden betrachten, in denen Cadillac noch richtig im Rennen war. Beschränkt man sich auf die Runden vor der Kollision und betrachtet analog zu den ersten beiden Analysen die besten 60 Prozent der Runden in diesem Zeitraum, so ergibt sich folgendes Bild:

01. Ferrari #51 - 1:44.09002. Cadillac #38 - 1:44.14403. Ferrari #50 - 1:44.39404. Cadillac #12 - 1:44.50405. AF-Corse-Ferrari #83 - 1:44.717

Folgende Drittvariablen sind zu berücksichtigen:

- Die Werks-Ferrari fuhren im ersten Doppelstint auf unterschiedlichen Reifen (#51 rundum Hart, #50 rundum Medium; Hart war die deutlich bessere Wahl, die #50 wechselte später auf die harte Mischung).

- Der Cadillac #38 fiel bereits in der zehnten Runde nach einem missglückten Überholversuch von Earl Bamber gegen zwei Fahrzeuge in Kurve 1 weit zurück.

- Der Cadillac #12 fiel im Startgetümmel vom vierten auf den zwölften Platz zurück und hatte damit keine freie Fahrt.

- Gleiches gilt für den AF-Corse-Ferrari #83, der von Platz acht gestartet war und den gesamten ersten Stint in einem Pulk hing, der vom Alpine #35 aufgehalten wurde.



Alles in allem lässt sich sagen, dass Cadillac den nötigen Speed hatte, um Ferrari herauszufordern. Die Anfangsphase lief für Cadillac alles andere als glatt, trotzdem war der Speed annähernd auf Ferrari-Niveau. Die erste Safety-Car-Phase mit vorgeschaltetem VSC kam für die Caddys genau zum richtigen Zeitpunkt. Sie hatten die beste Reichweite, alle anderen hatten bereits gestoppt.

Da die Cadillac nun unter VSC stoppen konnten, wurden sie an die Spitze gespült. Dann kam es zur verhängnisvollen Kollision. Angesichts des Speeds aus den ersten beiden Stunden, der überlegenen Track-Position beim Restart und der Tatsache, dass Ferrari nicht fehlerfrei blieb, hat General Motors also einen möglichen Sieg aus der Hand gegeben.

Positiv bleibt der hohe Speed. Jota war auf Anhieb konkurrenzfähiger als Ganassi mit dem LMDh-Boliden in der WEC. Schon ein Podiumsplatz wäre ein perfekter Einstand gewesen. Insofern ist es schade, dass Jota aus ganz anderen Gründen für Schlagzeilen gesorgt hat.

Im weiteren Rennverlauf waren die Caddys aus den genannten Gründen nicht mehr allzu schnell, sodass die Einstufung in der Balance of Performance (BoP) für die nächsten Rennen vorteilhaft bleiben sollte. Andererseits steht als nächstes Imola auf dem Programm, wo der Cadillac V-Series.R im vergangenen Jahr in den Händen von Ganassi nicht wirklich konkurrenzfähig war.

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P1Jay
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Re: Rennanalyse WEC Katar 2025 (3/3): Was Cadillac verspielt hat

Beitrag von P1Jay »

Vielen Dank für die ausführliche Analyse. :schumi:
Ich fände es schön, wenn es sowas zu jedem WEC Rennen geben könnte.
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