Ferrari belegte die ersten drei Plätze bei den 1.812 Kilometern von Katar, doch war man wirklich so dominant? - Teil 1 unserer Analyse mit Blick auf das gesamte Rennen
Die Medien leben oft von Superlativen. Nach dem Dreifachsieg von AF Corse bei den 1.812 Kilometern von Katar war es ein Leichtes, von einer "Zerstörung" oder "Vernichtung" der Gegner durch Ferrari zu schreiben. Aber war es wirklich so eindeutig?
Den Stimmen der Gegner nach zu urteilen, ja. "Die Ferrari waren in jeder Session unglaublich schnell, es war sehr schwer, sie zu schlagen. Das war von Anfang an klar", sagte Dries Vanthoor vom viertplatzierten BMW #15 (D. Vanthoor/Marciello/Magnussen) über das Rennen.
Kamui Kobayashi aus dem Toyota #7 (Conway/Kobayashi/de Vries) bestätigt: "Ferrari war viel zu schnell. Sie hatten mehrere Strafen und haben trotzdem gewonnen. Wir waren weit weg. Auch Porsche hatte mit dem Gewicht zu kämpfen. Wir konnten nur noch Schadensbegrenzung betreiben."
Doch ein Blick auf die Ergebnisliste verrät: Der beste Nicht-Ferrari hatte im Ziel keine zehn Sekunden Rückstand. Und selbst nach dem letzten Safety-Car-Restart sprechen wir immer noch von einem Rennen über viereinhalb Stunden. Da sind zehn Sekunden nicht viel.
War Ferrari also doch schlagbar? Unsere Analyse wird ein differenziertes Bild ergeben. In diesem Artikel schauen wir uns das gesamte Rennen an. Zunächst haben wir uns entschieden, nicht mehr wie in den vergangenen Jahren die 40 Prozent besten Runden zu nehmen, sondern die besten 60 Prozent.
Das machen wir, weil auch die technische Arbeitsgruppe für die Berechnung der Balance of Performance (BoP) in diesem Jahr mit den besten 60 Prozent rechnet. Diese Methode wird dem Reifenverschleiß gerechter.
Schauen wir also zunächst auf die Top 60 Prozent Rundenzeiten jedes Fahrzeugs im gesamten Rennen:
01. Ferrari #50 - 1:43.578 Minuten02. Ferrari #51 - 1:43.59503. AF-Corse-Ferrari #83 - 1:43.70504. BMW #15 - 1:43.73305. Toyota #8 - 1:43.76906. Toyota #7 - 1:43.77407. Cadillac #12 - 1:43.79508. BMW #20 - 1:43.93809. Alpine #35 - 1:44.14210. Porsche #6 - 1:44.22511. Porsche #5 - 1:44.23212. Peugeot #93 - 1:44.25213. Cadillac #38 - 1:44.25614. Peugeot #94 - 1:44.35315. Alpine #36 - 1:44.41416. Proton-Porsche #99 - 1:44.44317. Aston Martin #007 - 1:44.82218. Aston Martin #009 - 1:44.996
Ferrari hat also die Nase vorn, vor allem mit den Werkswagen. Die große Überraschung im positiven Sinne ist Toyota. Denn weder beim Prolog noch bei den Longruns im Freien Training hatte sich diese Performance angedeutet.
Auch bei Toyota Gazoo Racing ist man überrascht. "Hier als Fünfter und Sechster rauszugehen, ist ehrlich gesagt mehr, als wir erwartet hatten", sagt Mike Conway. Daran änderte auch sein Highspeed-Dreher in der zweiten Stunde nichts. Teamkollege Nyck de Vries ergänzt: "Wir haben die ganze Woche gekämpft, aber im Rennen ist unser Paket aufgeblüht."
Toyota-Technikchef David Floury betont: "Im Gegensatz zu unseren Rivalen haben wir keine Strafen kassiert und jede sich bietende Chance strategisch genutzt." Unsere Analyse zeigt aber klar, dass Toyota auch deutlich mehr Speed hatte als im Training. Hinter Toyotas Abschneiden steckt mehr als ein Null-Fehler-Job.
Vergleichen wir die Rennpace (besagte Top 60 Prozent) mit der Pace aus unserer Longrun-Analyse aller drei Freien Trainings, zeigen sich teils deutliche Abweichungen.
01. Proton-Porsche #99 - 0,827 Sekunden schneller als im Trainings-Longrun02. Toyota #7 - 0,71903. Peugeot #94 - 0,54804. BMW #15 - 0,46305. Aston Martin #009 - 0,45606. Toyota #8 - 0,40907. AF-Corse-Ferrari #83 - 0,39508. Aston Martin #007 - 0,33709. BMW #20 - 0,19010. Ferrari #51 - 0,17111. Peugeot #93 - 0,15612. Ferrari #50 - 0,07813. Cadillac #12 - 0,013 Sekunden langsamer als im Trainings-Longrun14. Porsche #5 - 0,07315. Alpine #36 - 0,10716. Porsche #6 - 0,24917. Alpine #35 - 0,32018. Cadillac #38 - 0,411
Der Proton-Porsche hat sich im Vergleich zum Training am meisten gesteigert, aber hier war auch am meisten Potenzial vorhanden.
Von den Hersteller-Teams war Toyota im Rennen deutlich schneller als im Training. Das unterstreicht, dass es nicht nur ein fehlerfreier Job oder eine clevere Strategie war, sondern dass Toyota auch tatsächlich eine deutlich bessere Pace hatte als im Training.
Auch BMW hat sich gegenüber dem Training deutlich verbessert, vor allem mit der #15. Die #20 war im Rennen etwas langsamer, was im Training nicht der Fall gewesen war.
Ferrari fuhr etwas schneller als im Training. Cadillac sollte hier nicht berücksichtigt werden, dazu mehr im dritten Teil der Analyse.
Negativ fällt die Pace von Alpine auf. In den Longruns und auch im Prolog sah es noch so aus, als könnten die A424 zumindest um den Titel "Best of the Rest" hinter Ferrari mitfahren, aber davon war vor allem die #36 (Gounon/Makowiecki/Schumacher) weit entfernt.
Die #35 (Chatin/Habsburg/Milesi) war vom Speed her besser aufgestellt, konnte aber nach der Kollision von Charles Milesi beim Überrunden nicht mehr aufschließen. Im Vergleich zur Trainingspace fehlte aber einiges, nur der Cadillac #38, der nach seinem eigenen Crash nicht mehr in der Führungsrunde lag, verlor noch mehr von seiner Longrun-Pace aus dem Training.
Auch Porsche fällt negativ auf. Hier darf man aber nicht vergessen, dass die #6 nach dem Pech mit dem ersten Safety-Car lange Zeit außerhalb der Führungsrunde fuhr und somit "entrechtet" war, also immer wieder andere Fahrzeuge vorbeilassen musste und nicht selbst attackieren durfte.
Über das gesamte Rennen hinweg hatte Ferrari die Nase vorn. Allerdings war der Vorsprung nicht so groß, dass man von einer Vernichtung oder Auslöschung der Gegner sprechen könnte.
Andererseits sind anderthalb Zehntel Vorsprung auch nicht zu vernachlässigen. Bei 318 Runden hätten die 0,155 Sekunden Vorsprung auf den BMW #15 pro Runde einen Abstand von 49,290 Sekunden ergeben.
Natürlich wurde das Feld durch vier Safety-Car-Phasen immer wieder zusammengeführt. Der letzte Restart erfolgte in Runde 171. Aber selbst dann hätte der Vorsprung bis ins Ziel noch auf 22,785 Sekunden anwachsen müssen, wenn man den Unterschied von 0,155 Sekunden zwischen dem Ferrari #50 und dem BMW #15 zugrunde legt. Es waren aber nur 9,907 Sekunden.
Im zweiten Teil der Auswertung gehen wir der Frage nach, ob BMW hätte gewinnen können. Dabei werden wir insbesondere auf den letzten Teil des Rennens ab Runde 171 eingehen.
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Rennanalyse WEC Katar 2025 (1/3): War Ferrari wirklich unschlagbar?
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Re: Rennanalyse WEC Katar 2025 (1/3): War Ferrari wirklich unschlagbar?
Ich denke mal, dass in einer BoP Serie nicht sein sollte, dass ein Hersteller zum Sieg cruised. Und trotz Strafen noch gewinnen kann. Auch dass man am Ende des Rennen den Werksawagen plötzlich mehr Leistung zugestehen kann um die 83 noch zu catchen? Also haben sie vorher nicht alles geben müssen^^ Klar, BMW war iwie dran und haben es vllt schon im Quali weggeworfen. Aber trotzdem, es sollten ja eigentlich quasi alle Hersteller Siegfähig sein, die jetzt kein komplett schlechtes Auto gebaut haben. Seh ich halt gerade nicht^^
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Re: Rennanalyse WEC Katar 2025 (1/3): War Ferrari wirklich unschlagbar?
Toyota gibt gegen Ende eigentlich auch regelmäßig die Ansage (so auch in Katar), dass mehr Power abgerufen werden kann. Ob das andere Teams auch machen weiß ich nicht, ich kann nur von den Funksprüchen berichten, die auch in der Übertragung zu hören sind. Aber das ist jetzt nichts ungewöhnliches. Ein Fahrzeug vor das andere zu bringen oder zu halten ist auch von Toyota schon mehrfach praktiziert worden, ist alles schon mal da gewesen. Allerdings sehe ich da großes Konfliktpotenzial bei Kubica, wie schon im Rennbericht geschrieben.Tracklimits hat geschrieben: ↑06.03.2025, 15:51 Ich denke mal, dass in einer BoP Serie nicht sein sollte, dass ein Hersteller zum Sieg cruised. Und trotz Strafen noch gewinnen kann. Auch dass man am Ende des Rennen den Werksawagen plötzlich mehr Leistung zugestehen kann um die 83 noch zu catchen? Also haben sie vorher nicht alles geben müssen^^ Klar, BMW war iwie dran und haben es vllt schon im Quali weggeworfen. Aber trotzdem, es sollten ja eigentlich quasi alle Hersteller Siegfähig sein, die jetzt kein komplett schlechtes Auto gebaut haben. Seh ich halt gerade nicht^^
Und egal wie man es dreht und wendet, der gelbe Ferrari ist und bleibt für mich ein drittes Werksfahrzeug:
Ferrari AF Corse - Werksteam

AF Corse Ferrari - Kundenteam

Das "AF" steht für Amato Ferrari, dem Gründer des Teams.
Das das Team offenkundig nicht eigenständig entscheiden darf, siehe Imola 2024, ist ein weiterer Fakt dafür, dass das ganze Projekt ein drittes Werksfahrzeug ist.
Aber beim Punkt "zum Sieg cruisen" gebe ich dir uneingeschränkt Recht. Das erinnerte stark an die Toyotas Siege. Man sieht ja regelrecht wie locker die roten Fahrzeuge um den Kurs geglitten sind und das da, als Toyota kurzzeitig die Pace anzog, sofort gekontert werden konnte und Toyota ihrerseits auch wieder die Pace gedrosselt haben weil sie merkten es ist sinnlos.
Ich finde solche Analysen immer wahnsinnig spannend und lese diese sehr interessiert. Zur Wahrheit gehört aber auch, und das lernt man zwangsläufig wenn man die letzten beiden Jahre aufmerksam verfolgt hat, dass die Daten die im Vorfeld analysiert werden, nicht immer dem tatsächlichen Potenzial des Fahrzeugs entsprechen müssen. Das ist immer die große Unbekannte in diesen Vergleichen. Ich bin mir sicher, dass Ferrari noch Reserven hatte, aber genau so sicher bin ich mir, dass Toyota und vor allem auch Porsche noch Reserven hatten. Die Frage ist nur wer wie viel und wer am meisten. Das können die BoP-Verantwortlichen vermutlich am besten aus den Daten lesen?